Liebe Rundbriefleserin, lieber Rundbriefleser
Ich freue mich, Ihnen als Begrüssungsbrief einen bewegenden Bericht unseres langjährigen israelischen Reiseleiters Dany Walter weiterzugeben. Er schreibt uns:
Behinderte Menschen
Dany Walter, Reiseleiter.
Ich habe diesbezüglich eine persönliche Geschichte, und ich möchte zeigen, dass auch in Behinderten ein grosses Potenzial liegt, wenn sie entsprechend gefördert werden.
Von meinen zehn Enkelkindern kamen die ersten drei als Drillinge meiner Tochter zur Welt. Bei einem Buben davon, namens Orr, wurde Autismus diagnostiziert. Dann zog meine Tochter aus beruflichen Gründen mit ihrer Familie für sieben Jahre nach Amerika.
In den USA und besonders in der Region um Los Angeles betrachtet man behinderte Kinder als gefährlich für sich selbst und für andere. Orr besuchte dort eine Schule, und als ich dieser eines Tages einen Besuch abstattete, war ich schockiert. Das war mehr ein Gefängnis als eine Schule! Jedes Klassenzimmer war vergittert, und die Kinder durften bloss in Begleitung einer erwachsenen Person aus dem Zimmer oder aus dem Gebäude gehen. Ich stand da und weinte… Natürlich ist mein Enkel nicht wie andere Kinder. Sein Autismus äussert sich in vielen kleinen Sachen. Er kann kaum Gefühle zeigen. Eine Umarmung bereitet ihm Probleme. Er mag keinen körperlichen Kontakt. Auch kann er einem nicht in die Augen schauen. Er hat wenig Geduld, erst recht nicht, wenn ihm etwas misslingt. Er kann zwar lernen, doch er braucht viel Zeit dazu. Er hat Schwierigkeiten mit der Koordination.
Doch ich lernte, dass er seine Liebe zu mir auf andere Weise zeigt. Die neun anderen Enkelkinder sagen einstimmig, Orr sei mein Lieblingsenkel.
Jene Schule in den USA war also eine Katastrophe, und Orr zog sich immer mehr in sich selbst zurück. Doch meine Tochter und ihr Mann gaben nicht auf und suchten nach weiteren Möglichkeiten. Sie fanden einen Sportlehrer, Jerry, der sich sehr gut mit Kindern abgeben konnte. Zum Programm gehörte auch Trampolin springen, verschiedene Schaukeln usw. Orr machte Fortschritte und lernte mehr Selbstvertrauen. Zwischen den beiden entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung.
Dann kam meine Tochter mit ihrer Familie wieder zurück nach Israel. Hier fanden sie für Orr eine sogenannte demokratische Schule. Jedem Schüler wird die Möglichkeit gegeben, sich in seinem eigenen Tempo und seinen Begabungen gemäss zu entwickeln, und es entsteht ein sehr persönlicher Kontakt zwischen Lehrern und Schülern. Auch hier machte ich einen Schulbesuch und zwar während einer Schulstunde. Wie wunderte ich mich, dass diese auf Englisch gehalten wurde! Ich fragte den Lehrer, ob dies gerade eine Englischstunde sei, doch er verneinte. Die ganze Klasse bemühte sich, Englisch zu sprechen, weil Orr noch kein Hebräisch konnte. Da kamen mir wiederum die Tränen, doch in was für einem Unterschied zu Amerika!
Nach seiner Schulzeit wurde Orr wegen seines Autismus nicht zum Militärdienst zugelassen. Stattdessen machte er einen Sozialdienst in einem Tierheim, wo vernachlässigte Tiere gepflegt werden.
Danach wurde er in ein College zum Erlernen von Dreharbeiten von Filmen aufgenommen. Auch hier empfing ihn die ganze Klasse mit Freundschaft und Liebe, obwohl er anders war als sie. Gegen Ende der vierjährigen Ausbildungszeit mussten die Studenten eine Abschlussarbeit machen. Orr übernahm ein interessantes Thema für diese Aufgabe. Sein amerikanischer Lehrer Jerry hatte in der Zwischenzeit geheiratet. Seine Frau brachte ein neun-jähriges, schwerbehindertes Kind mit in die Ehe. Es litt an einer Muskelkrankheit, die keine lange Lebensdauer versprach.
Orr, der autistische Enkel von Dany Walter, gewann mit seinem Dokumentarfilm den ersten Preis.
Orr fuhr nach Amerika und hielt diese besondere Beziehung zwischen Vater Jerry und behindertem Sohn Jack in einem dokumentarischen Film als Abschlussarbeit fest.
Schliesslich gab es einen Wettbewerb, alle Dokumentarfilme der Abschlussklasse wurden bewertet – und Orr gewann den ersten Preis!
So kam Orr, der Autist, zu einem wohlverdienten Erfolg. Mit der richtigen Unterstützung können auch behinderte Kinder weit kommen.
Daher bin ich überzeugt, dass die finanzielle Hilfe von Rea Israel bzw. den grossherzigen Spenderinnen und Spendern an die Stiftungen in Israel, die behinderte Kinder unterrichten, eine «heilige Arbeit» ist.
Mit einem herzlichem Dank und Schalom
grüsst Sie
Rea Israel
Kurt Wenger, Präsident
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